Der Biomarkt boomt. Wir wissen es alle. Es werden immer mehr Bioprodukte nachgefragt, auch das ist eine Binsenweisheit. Bio findet immer mehr Platz nicht mehr nur im Bioladen oder Biosupermarkt oder auch in Reformhäusern, die sich dem Trend angeschlossen haben, sondern auch immer mehr in den konventionellen Supermärkten.

Supermärkte sind nicht nur gut für die Branche

Das klingt ein wenig gewagt, da doch so Bioprodukte an private Verbraucher herangeführt werden, die sonst nicht den Weg in den Bioladen um die Ecke finden würden. So haben vor Jahren, als die Biobranche noch sehr idealistisch war, aber begann auf Wachstum zu setzen, einzelne Hersteller argumentiert, um auf diese Weise Satisfaktion für den Bruch mit der alten Ladner- und ökologischen Großhändler-Strukturen zu bekommen.

Darum fanden sich schon vor fünfzehn und sogar mehr Jahren die ersten Bioprodukte altehrwürdiger Anbieter der Ökobranche in den Regalen der Supermärkte wieder. Zu Beginn erst noch als kleine „Bioecke“ und nur mit einem Basissortiment. Das war übrigens auch ein beliebtes Argument der Anbieter von Naturkostprodukten, die das Wachstum in diesen Bereichen gesucht haben.

„Neukunden kommen so zum ersten Mal mit Bioprodukten in Berührung und gehen dann im Anschluss in den gut sortierten Bioladen.“

Har har har … bin ich versucht, da zu schreiben … und ich schreibe es.

Natürlich stimmt das Argument, dass sich so der Absatz von Bioprodukten vervielfacht hat und viel mehr Bioprodukte zum Verbraucher und Konsumenten gefunden haben.

Natürlich ist es wahr, dass die Biobranche sich so vom angestaubten Image des vollbärtigen Wollpullover-Ladners oder der lila farbenen Kleider, mit Kettchen an den Füßen und was sonst so noch Klischee war, gelöst hat. Das wurde aber auch mit den modern aufgebauten und marketingtechnisch perfekt durchdachten Biosupermärkten erreicht.

Idealismus verkommt zum Marketinginstrument

Aber durch die Öffnung der Biobranche hinein in den konventionellen Handel wurden Tür und Tor für den kommerziellen Handel und der rein kommerziellen Sichtweise geöffnet. Plötzlich wurden Produktionskosten nicht mehr mit einer gewissen Milde betrachtet, da das Produkt gut sein musste. Der überzeugte Biokunde zahlt es, das war sicher. Nein, die Sichtweise änderte sich und nun spielten Produktionskennziffern eine immer größere Rolle und der Idealismus der Produzenten wurde in Teilen der Branche zu einem reinen Marketinginstrument.

Was wurde durch diese veränderte Philosophie ausgelöst?

Es geschah nun nicht nur, dass die Ladner, sozusagen am Ende der produktiven Nahrungskette, einem immer stärkeren Konkurrenzdruck ausgesetzt waren. Ladner, die plötzlich mit der alten kaufmännischen Regel „Wachsen oder weichen“ klarkommen mussten, wurden gezwungen, in die Modernisierung und Vergrößerung der Ladenflächen zu investieren. Ich entsinne mich noch an Artikel, wo als Schlagwort galt, ein Laden unter 200 Quadratmeter sei nicht mehr überlebensfähig bzw zeitgemäß.

So mancher seit langer Zeit mit einer gewissen Gemütlichkeit existierender Ladner, oft schon seit mehr als zehn Jahren, musste zu einem richtigen Geschäftsmann werden oder sich Berater ins Haus holen, die von der kommerziellen Ladengestaltung in diese neue prosperierende Branche gewechselt waren. Das waren Goldgräberzeiten für den Ladenbau und für Berater des neuen Bio-Deals.

Die schönen Lampen des alten Ladens, wo es immer wieder auch zum gemütlichen Plausch kommen konnte, wurden dabei durch effektive Neonbeleuchtungen ausgetauscht. Einkaufswagen sollten nicht mehr sozusagen nutzlos im Wege stehen, sondern sich auf gewollten Kunden-Ameisenstraßen durch den Supermarkt bewegen. Klar, dass nun auch im Biosupermarkt im Kassenbereich die Mitnahmeartikel und Spontanware zu finden war. Früher fanden sich im Kassenbereich eher abgelaufene Ware oder es blieb dem Zufall überlassen, was der Ladner wo platzieren wollte.

Nicht nur der Ladner musste weichen

Aber es traf nicht nur die Ladner, die sich dem modernen Wind ausgesetzt sahen, sondern auch die einheimischen Produzenten, speziell die Biobauern. Wo sie in noch nicht hochkommerziellen Zeiten wachsen konnten und zuverlässig auch ihre Ware absetzen konnten, waren nun zu den bisherigen Aufkäufern der Ernte die Supermarktketten gestoßen, die mit erheblichem Preisdruck arbeiteten. Wer da preislich nicht konkurrenzfähig wurde oder einfach nur nicht genug produzieren konnte, hatte keine andere Wahl als seine Ware weit unter Produktionskosten zu verkaufen, oder aber sogar an konventionelle Aufkäufer zu verkaufen.

Der deutsche Biomarkt wächst, aber dieses Wachstum wird gutteils durch Importe getragen. Da der Naturprodukte-Markt beständig wächst, drängten nun gleichzeitig mehr und mehr ausländische Produzenten auf den Markt, die mit weit größeren Flächen und weit geringeren Lohnkosten arbeiten konnten, so dass der klassische Biobauer nicht nur den Preisdruck der Einkäufer der Lebensmittelketten und Märkte ausgesetzt war, sondern auch noch auf der anderen Seite einem ungeheuren Preisdruck seiner Kollegen aus dem Ausland standhalten musste.

Die Folge ist, dass der Absatz von Bioprodukten ständig steigt, aber die Zahl der Biobauern in Deutschland jedes Jahr zurückgeht. Jedes Jahr müssen mehrere Hundert Biobauern aufgeben, da sie der Konkurrenz und der Marktmacht der Aufkäufer nicht standhalten können.

Echte Marktwirtschaftler werden vor Freude in die Hände klatschen. „Der Markt richtet es“ … und „Konkurrenz belebt das Geschäft“. Leider ist es nun so gekommen, dass mehr als die Hälfte aller Bioprodukte inzwischen aus Spanien, Italien, Portugal, den Niederlanden, bis hin nach China, zu uns gelangen und den Markt mit „Billig-Bio“ überschwemmen.

Natürlich haben die Produkte ein Biosiegel. Natürlich ist das zum allergrößten Teil auch zertifiziertes Bio, aber auf der anderen Seite darf man nicht vergessen, dass es in vielen Ländern, wo die Mitarbeiter auf den Feldern so wunderbar preiswert sind, auch nur eines hinreichenden Taschengeldes an den örtlichen Würdenträger bedarf, um ein astreines Bioprodukte verpacken zu können. Das gilt selbstverständlich nur für die negativen Auswüchse und auch in Deutschland wird gemauschelt, aber doch ist es Realität, dass Produkte, um so weiter weg sie zu uns gelangen, schwerer kontrollierbar sind.

Ich sehe Bio inzwischen mit geteilter Freude. Ich versuche ein wenig gegenzuhalten, indem ich Gemüse und Obst, wenn angeboten, aus regionalem Anbau kaufe und mich an saisonale Artikel halte. Aber wer darüber hinaus auch in die Regale der Biomärkte greift, Nussmuss hier, Knäcke dort, Nudeln hier, Müsli dort, eben die ganze Produktpalette des Biosortiments, erkennt nicht mehr ohne weiteres, ob der Hartweizen von einheimischer Produktion zur Nudel geworden ist, oder ob sich ferner aber preiswert importierter Hartweizen in eine echte deutsche Nudel mit uns bekanntem Logo des Herstellers verwandelt hat.

Ich habe es kommen sehen, als ich vor Jahren über die Biofach gewandelt war. Ich kann das genaue Jahr nicht mehr benennen, aber ich sah neben den vielen sehr individuellen Ständen plötzlich auch durchgestylte Stände eigentlich branchenfremder Anbieter, die mit Produkten, die auch für die Biobranche tauglich waren, auf Kundensuche gingen. Das war nicht negativ, aber ein Zeichen. Noch alarmierender fand ich eine neue Spezies an Messebesuchern. Das waren die mir aus anderen Branchen hinreichend bekannten Anzugträger, die, mit dem Katalog in der Hand und dem Trolley am anderen Arm über die Messe hasteten, ihre Besuche abklapperten um dann am Abend wieder in den Flieger zu springen.

Nach diesem Biofach-Besuch hatte ich erstmal drei Jahre Pause gemacht, da ich das sehr ernüchternd fand. Inzwischen hat sich das Bild wieder ein wenig gemässigt, aber diese neue Spezies hat nun ihren festen Platz auf den Biomessen gefunden.

So ein altmodisches und überprüftes „Made in Germany“ … das wärs doch. Aber es ist nicht undenkbar, dass dann die Kartellbehörden auf den Plan treten werden. Von selbst – oder angesetzt.